Blick auf den Gedenktag 2016

Der Gedenktag begann am Denkmal auf dem Gelände der Karl-Jaspers-Klinik. dscf2527Hanna Tilgner las aus den „Roten Büchern“ das Schicksal einer jungen Patientin aus der damaligen Heil- und Pflegeanstalt vor. Es berührt uns auch 70 Jahre nach der NS-Zeit sehr, wie ein junger Mensch qualvoll über eine lange Zeit zu Tode gebracht wurde.

Zu unserem diesjährigen Motto: „Was trieb die Täter an?“ lieferte der prominente Arzt, Psychiater und Soziologe Prof. Dr. Dr. Dörner einen Abriss der Geschichte der Psychiatrie von ihren Anfängen um 1800 bis zur Verstrickung in die Krankenmorde im „Dritten Reich“. Er hob hervor, dass angehende Ärzte bis 1850 kein Physikum, sondern ein Philosophikum absolvieren mussten. Dann setzte sich die Überzeugung durch, dass die Ärzte zu den Naturwissenschaftlern zählten. Gleichzeitig habe sich die Meinung durchgesetzt, dass sich der Wert des Menschen an der Leistung bemisst. Wer nichts zur Gesellschaft beitragen könne, sei auch weniger wert, so hätten besonders Ärzte und Psychiater zu denken begonnen. Schon im Ersten Weltkrieg habe man die Anstaltspatienten ausgehungert, so dass 70.000 daran gestorben seien. Unter den Nazis wurden mindestens dreimal so viele Patienten umgebracht, und Prof. Dörner betonte, wie bereitwillig sich die deutsche Psychiatrie dafür eingesetzt hat. Sein Vortrag endete mit der provokanten Frage, ob der systematische Krankenmord ein Nazi-Programm oder ein Psychiatrie-Programm war. (mehr …)

„Buchhaltung und Krankenmord Die Oldenburgische Anstaltsfürsorge 1932-1948“

Dr. Ingo Harms stellte sein Buch mit den neuen Forschungsergebnissen am 26. August den Oldenburger Medien vor.

Zu den hervorstechendsten Merkmalen der Nazi-Gewaltherrschaft gehörten Ausgrenzung und Vernichtung. Das ist vielfach beschrieben worden. Weniger gut erforscht ist, dass es den Machthabern entgegen ihren ideologischen Bekundungen dabei vorwiegend um Bereicherung ging.
Erstmals untersucht ein Autor detailliert, wie ein Krankenmord-Programm dazu diente, Profite zu erwirtschaften. Den Hungermorden in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen und anderen oldenburgischen Anstalten lag ein Bereicherungsplan zugrunde, der bereits 1933 per Landesgesetz beschlossen wurde.

Während die Patienten in den Anstalten verhungerten, wurde aus dem eingesparten Pflegegeld ein umfangreiches Grund- und Anlagevermögen gebildet. Der Landesfürsorgeverband, eine ministerielle Abrechnungsstelle, wurde zu einem betriebswirtschaftlichen Unternehmen umgebaut. Der Auftrag lautete, Gewinne zu erwirtschaften und diese zur Finanzierung der völkischen Kultur, der Energieversorgung und anderer Staatsausgaben einzusetzen. Die Liste der begünstigten Einrichtungen ist lang, und ganz oben steht das Museumsdorf Cloppenburg. (mehr …)

„Wo fängt es an – wo hört es auf?“

Unter diesem Motto begehen wir am 1. September 2016 unseren Gedenktag.
Am 1. September 1939 erließ Adolf Hitler den sog. Gnadentoderlass und eröffnete damit die „Euthanasie“, das Morden an hilfsbedürftigen kranken Menschen.

Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner wird den Festvortrag halten. Schon 2001 hielt Prof. Dörner zur Einweihung des Mahnmals auf dem Gelände der heutigen Karl-Jaspers-Klinik diesen Vortrag.
Für den musikalischen Beitrag konnten drei Musiker des Ensembles Windspiel gewonnen werden.
Alles Weitere finden Sie im Programm des Gedenktages 2016.

Fremdenhass, rechtsradikale Entwicklungen geben uns Anlass, die Erinnerung an die Verbrechen im Nationalsozialismus wach zu halten. Dazu passend der Eintrag aus dem Gästebuch in der Gedenkstätte Alte Pathologie „Wo fängt es an – wo hört es auf?“.

Wir laden Sie zu unserer diesjährigen Gedenkfeier herzlich ein. Gerne dürfen Sie Einladung und Programm an Freunde und Interessierte weiter geben.

Pünktlich zum Gedenktag hat Dr. Ingo Harms sein Buch mit dem Titel Buchhaltung und Krankenmord, ISBN 978-3-8142-2344-5 zu dem Forschungsauftrag zum Verbleib der eingesparten Gelder der Hungermorde veröffentlicht. Dazu schreibt die hiesige Nordwest Zeitung (NWZ) und die Oldenburger Sonntagszeitung.
Sie können das Buch am Gedenktag erwerben.

Danke!

Zugegeben, unsere finanzielle Situation war noch nie rosig. Die Gedenkstätte „Alte Pathologie“ existiert nur aus privaten Spenden. Lediglich der Landkreis Ammerland unterstützt uns mit einem jährlichen Betrag, der die Unterhaltskosten der Gedenkstätte für etwa 6 Wochen sichert.
Inzwischen wird die „Alte Pathologie“ u.a. von Angehörigen der Opfer finanziert, was an sich schon merkwürdig ist.
Die Pflege der Gedenkstätte und auch der Euthanasie-Erinnerungsstätte übernehmen Mitglieder des Gedenkkreises.

Doch zu unserer großen Freude und Überraschung trafen in den letzten Wochen Spenden von einigen Privatpersonen und von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein.
Dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön!

Was geschah mit unseren Angehörigen?

Diese Frage stellen sich inzwischen Verwandte, Enkel und auch Urenkel. Es gab sie, diese unbekannten Vorfahren, über deren Leben ein trauriges, aber absolutes Schweigen in den Familien herrschte. Die Nachkommen sollten auf keinen Fall erfahren, dass es in der Familie einen sog. Geisteskranken oder gar einen „Verrückten“ gab. Aber Kinder haben feine Ohren. Immer dann, wenn die Älteren sich flüsternd über eine Sache unterhielten, die die Kinder nicht wissen sollten, spitzten sich diese kleinen Ohren. Jedoch begreifen Kinder auch, wenn Fragen nicht erwünscht sind.

Die NS-Zeit wirkt nach.

Diese Kinder sind jetzt erwachsen und irgendwann kommen diese alten Geschichten wieder ins Bewusstsein.

Was geschah z.B. mit meinem Opa? Warum war er nach dem ersten Weltkrieg so anders, so merkwürdig? Er ging zunächst freiwillig in ein psychiatrisches Krankenhaus, er wurde in eine andere Klinik irgendwo in Deutschland verlegt. Das letzte, was man hörte, er landete in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen und dann verlor sich seine Spur. Eine zugegeben fiktive Geschichte, aber so ähnlich kann es gewesen sein.

Sie wollen mehr über den Verbleib Ihres Angehörigen wissen? Ein Medizinhistoriker und ein Psychiater aus unserem Kreis haben Zugang zu den Krankenakten der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt und erforschen auf Anfrage die Geschichte Ihres Angehörigen. Anschließend erhalten Sie einen umfassenden Bericht über das Leben und auch das Sterben Ihres Verwandten.
Melden Sie sich ggf. unter info@gedenkkreis.de