Blick auf den Gedenktag 2016

Der Gedenktag begann am Denkmal auf dem Gelände der Karl-Jaspers-Klinik. dscf2527Hanna Tilgner las aus den „Roten Büchern“ das Schicksal einer jungen Patientin aus der damaligen Heil- und Pflegeanstalt vor. Es berührt uns auch 70 Jahre nach der NS-Zeit sehr, wie ein junger Mensch qualvoll über eine lange Zeit zu Tode gebracht wurde.

Zu unserem diesjährigen Motto: „Was trieb die Täter an?“ lieferte der prominente Arzt, Psychiater und Soziologe Prof. Dr. Dr. Dörner einen Abriss der Geschichte der Psychiatrie von ihren Anfängen um 1800 bis zur Verstrickung in die Krankenmorde im „Dritten Reich“. Er hob hervor, dass angehende Ärzte bis 1850 kein Physikum, sondern ein Philosophikum absolvieren mussten. Dann setzte sich die Überzeugung durch, dass die Ärzte zu den Naturwissenschaftlern zählten. Gleichzeitig habe sich die Meinung durchgesetzt, dass sich der Wert des Menschen an der Leistung bemisst. Wer nichts zur Gesellschaft beitragen könne, sei auch weniger wert, so hätten besonders Ärzte und Psychiater zu denken begonnen. Schon im Ersten Weltkrieg habe man die Anstaltspatienten ausgehungert, so dass 70.000 daran gestorben seien. Unter den Nazis wurden mindestens dreimal so viele Patienten umgebracht, und Prof. Dörner betonte, wie bereitwillig sich die deutsche Psychiatrie dafür eingesetzt hat. Sein Vortrag endete mit der provokanten Frage, ob der systematische Krankenmord ein Nazi-Programm oder ein Psychiatrie-Programm war.

Für die Karl-Jaspers-Klinik hielt Dr. Figge, Leiter des ärztlichen Direktoriums, die Begrüßungsrede. Er wies auf die schwierige, aber notwendige Erinnerung an die Verbrechen hin, die hier in der damaligen Heil- und Pflegeanstalt geschehen sind, die besondere Verantwortung der Ärzte für die ihnen anvertrauten Patienten. Er erwähnte die Gefahren einer Privatisierung im Gesundheitswesen. Im Namen aller Beschäftigten der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Wehnen bat er die Angehörigen um Entschuldigung für die Verbrechen während der NS-Zeit.

Das Grußwort vom Landkreis Ammerland hielt die stellvertretenden Landrätin Susanne Miks. Beispielhaft für die Krankenmorde war das Schicksal der Marianne Schönfelder ihr Thema. Eine junge Frau, deren psychische Erkrankung nicht behandelt wurde, auch sie fiel den behandelnden Ärzten und Pflegenden zum Opfer. Sie starb und wurde in der Mitteilung an die Angehörigen als „unwertes Leben“ bezeichnet. Frau Miks spannte den Bogen zu unserer Zeit und erinnerte, dass unsere heutige Demokratie keineswegs selbstverständlich ist. Hier können Sie die ganze Rede lesen.

Der Vorsitzende Heinrich Pahl sprach über die Krankenmorde im gesamten Einzugsgebiet der NS-Diktatur und über die Geschehnisse hier in Wehnen.dscf2530 Die Entstehung des Gedenkkreises in seiner Einmaligkeit, das Denkmal mit der mahnenden Inschrift:
Die Kranken und Schwachen zu schützen ist die Würde der Gesunden.
Er berichtete von der ehrenamtlichen Arbeit der Gedenkkreismitglieder, die unter den gegebenen finanziellen und räumlichen Möglichkeiten nicht immer einfach ist. Damit die NS-Geschichte an die Menschen in unserer Region weiter gegeben wird, finden Führungen, begleitet vom wissenschaftlichen Beirat, statt. Ganz herzlich bedankte er sich bei Prof. Dr. Dr. Dörner für seine Bereitschaft nach 15 Jahren nochmal bei uns einen Vortrag zu halten.
Er zitierte den span.-amerikanische Philosoph, Schriftsteller und Literaturkritiker George Santayana
„Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“ das uns sagt, wie wichtig das Erinnern, das Gedenken und das Wissen über die eigene Geschichte ist. Doch lesen Sie hier seine ganze Rede.

Unserer ganz besonderer Dank gilt den drei Musikern des Ensembles „Windspiel“ Dr. Gabriele Hoeltzenbein, Prof. Dr. Andreas Zieger und Robert Brüll die mit ihrem musikalischen Beitrag unseren Gedenktag bereicherten.