Krankenpflege im Nationalsozialismus. Forschungen in Oldenburg

Die „Krankenpflege in Nationalsozialismus“ mit besonderem Blick auf neueste Forschungs-ergebnisse aus Oldenburg war Thema eines Vortrages bei der diesjährigen Mitgliederver-sammlung am 26.03. des Gedenkkreises Wehnen e.V. im Mittelpunkt. Referent war Dr. phil. Alfred Fleßner, Historiker und Politologe aus Oldenburg.

Die Ausbildung in der Krankenpflege unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Erbgesund-heitspolitik hat starke Auswirkungen, besonders in der Psychiatrie, auch bis in die Nachkriegszeit. Die Ausbildung in der Psychiatrie war unter dem Niveau der Krankenpflegeausbildung. So kamen in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen auf 700-1000 Patienten 2-3 Ärzte und etwa 100 Pflegekräfte.In der NS-Zeit war Dr. Mönch, ltd. Arzt in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen für die Ausbildung der Pflegenden, die als „Irrenpflege“ bezeichnet wurde, zuständig.

Die Pflegekräfte waren diejenigen, die den Patienten am nächsten waren. Sie führten die ärztlichen Anordnungen aus. Aus anderen Anstalten ist bekannt, dass nur wenige sich weigerten. Im Allgemeinen wurde diese an einen anderen patientenfernen Arbeitsplatz versetzt. Es muss davon ausgegangen werden, dass Pflegepersonal aktiv an den Tötungen beteiligt war, sei es durch entsprechende Medikamentengabe oder durch unzureichende Nahrungsgabe. Ein umfangreicher Aktenbestand aus dem Gertrudenheim (Heim für geistig behinderte Kinder und Jugendliche) und der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen von 1887-1959 wurde im Gertrudenheim in Oldenburg gefunden. Die Akten sind nicht immer vollständig. Sie beinhalten im Wesentlichen ärztliche Beurteilungen, Sektionsbefunde, Notizen von Pflegern, Briefe von Angehörigen, oder aus dem Gertrudenheim Mitteilungen des Hausvaters an den Landesfürsorgeverband über Unfälle, Entweichen, unpassendes Benehmen und Begründung für Verlegungen. Die Akten insgesamt ergeben einen Einblick in den Alltag der Pflege, in Einzelschicksale, über Sterblichkeit und Zwangssterilisationen. Es gibt auch Hinweise auf Gewalt und Misshandlungen im Gertrudenheim und in der Kinderabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen in den 1950er Jahre. Hinzugezogen wurden Aktenbestände aus dem Staatsarchiv, die weiteren Aufschluss über die Pflege in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen ergaben. Es finden sich Tages- und Nachtpflegeberichte von 1924-1935 aus denen die Art und Weise des Umgangs mit den Patienten hervor geht. Die Frage, ob es eine „Tätermigration“ nach 1945 gegeben hat, muss mindestens in einem Fall bejaht werden, das heißt, in der Heil- und Pflegeanstalt gab es einen bekannt gewordenen Fall eines Pflegers, der zuvor in einer Tötungsanstalt beschäftigt war und dieses bei seiner Einstellung geleugnet hat.
Nach dem Krieg, 1946 wurden die Ärztin Dr. Hilde Wernicke und die Pflegerin Helene Wieczorek aus der Heil- und Pflegeanstalt in Meseritz-Obrawalde wegen „wilder Euthanasie“, das heißt massenhafter Tötung von Patienten, zum Tode verurteilt und im Januar 1947 hingerichtet. Mit zunehmenden Abstand zum Krieg gingen die meisten Täter straffrei aus. Die Frage, inwieweit die Auswirkungen der NS-Zeit, der Rassenpolitik, und der Erbgesundheitspolitik Auswirkungen bis weit in die Nachkriegszeit hat, muss weiter erforscht werden.