Harms, Ingo: Der Verband. Anstaltsfürsorge zwischen Rassenhygiene, Bereicherung und Kommunalpolitik (Oldenburg 1924-1960), Weinheim/Basel 2021
Treibende Kraft hinter den NS-Krankenmorden im Land Oldenburg, die im Jahr 1936 begannen, war der Landesfürsorgeverband. Mit einer rücksichtslosen Kostenreduzierung in den Anstalten und Heimen wurde Kapital zum Aufbau einer regionalen Energiewirtschaft, zur Finanzierung völkischer Kultur und zur Förderung der Landwirtschaft generiert.
Gestützt auf eine Fülle von Quellenmaterial führt der Autor den historischen Nachweis, dass diese Hungermorde ökonomische Gründe hatten. Ein Netzwerk von Profiteuren verdeckte das Leid der Opfer bis weit in die Nachkriegszeit.
Harms, Ingo: Buchhaltung und Krankenmord: Die oldenburgische Anstaltsfürsorge 1932 - 1948 , Oldenburg 2016
Zu den hervorstechendsten Merkmalen der Nazi-Gewaltherrschaft gehörten Ausgrenzung und Vernichtung. Das ist vielfach beschrieben worden. Weniger gut erforscht ist, dass es den Machthabern entgegen ihren ideologischen Bekundungen dabei vorwiegend um Bereicherung ging. Ingo Harms untersucht erstmals detailliert wie ein Krankenmordprogramm dazu diente, Profite zu erwirtschaften. Den Hungermorden in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen lag ein Bereicherungsplan zugrunde, der bereits 1933 per Landesgesetz beschlossen wurde. Während die Patienten in den Anstalten verhungerten, wurde aus dem eingesparten Pflegegeld ein umfangreiches Grund- und Anlagevermögen gebildet. Der Auftrag lautete, Gewinne zu erwirtschaften und diese zur Finanzierung der völkischen Kultur, der Energieversorgung und anderer Staatsausgaben einzusetzen. Die Liste der begünstigten Einrichtungen ist lang, und ganz oben steht das Museumsdorf Cloppenburg.
Fleßner, Alfred; George, Uta; Harms, Ingo; Keller, Rolf: Forschungen zur Medizin im Nationalsozialismus. Vorgeschichte- Verbrechen- Nachwirkungen, Göttingen 2014
Während der NS-Herrschaft erfolgte eine Radikalisierung der medizinischen Behandlung bis hin zu Zwangssterilisationen und Massenmord. Vorbereitet wurde diese Entwicklung bereits in den Jahrzehnten zuvor in den Diskursen über das »lebensunwerte Leben«. Die dabei geprägten Denkmuster und Menschenbilder sind bis heute nicht vollständig überwunden.
Harms, Ingo: Biologismus: Zur Theorie und Praxis einer wirkmächtigen Ideologie, Oldenburg 2011
Die ärztlichen Verbrechen des Nationalsozialismus waren kein zufälliger Unglücksfall der Medizingeschichte, sondern Folge einer wissenschaftlich-ideologischen Denkweise, die sich bereits im 19. Jahrhundert herausgeformt hatte. Biologistische Ideen wurden zu politischen Programmen mit dem Ziel, die Gesellschaft in brauchbare und unbrauchbare, erblich belastete und genetisch „saubere“ Menschen einzuteilen. Sie fanden ihren Niederschlag in der Gesetzgebung zur Zwangssterilisation in USA, Schweden und Nazideutschland und ihre radikalste Ausdrucksform im nationalsozialistischen Krankenmord. Auch in den Oldenburgischen Kliniken, Anstalten und Heimen verrichteten die Handlanger der medizinischen Gewalt ihr unmenschliches Werk. Ingo Harms zeigt die Entwicklung in ihrer bitteren Konsequenz von der Ideologisierung ärztlicher Kreise bis zur praktischen Umsetzung im klinischen Alltag. Das lange ungeklärte Schicksal der „Blankenburger Kinder“ gibt Einblick in eine medizinische Praxis, die sich vom hippokratischen Heilauftrag radikal abgekehrt hatte. Ärzte, Pflegekräfte – auch christliche – und Medizinalbeamte machten sich ihre Schutzbefohlenen zu Opfern, ohne je zur Verantwortung gezogen zu werden.
Harms, Ingo: Wat mööt wi hier smachten: Hungertod und „Euthanasie“ in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen 1936-1945 , Oldenburg 2009 (Buchfassung der Dissertation von 1997)
Ingo Harms zeigt am Beispiel der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen, dass sich die Gesundheitsbehörden des Landes Oldenburg an der NS-‚Euthanasie‘ nicht nur beteiligt haben, sondern ihr um Jahre vorausgeeilt sind. Mindestens 1500 Patienten starben den qualvollen Hungertod. Die Untersuchung lässt keinen Zweifel daran, dass die Verantwortlichen nicht zu ihren Taten gezwungen wurden, ganz zu schweigen von einem ‚Befehlsnotstand‘. Auch eine besondere Nähe zum Nationalsozialismus war nicht nötig. Was die Täter miteinander verband, war die erbbiologistische Überzeugung, das deutsche Volk vom ‚lebensunwerten Leben‘ befreien zu müssen. Mit missionarischem Eifer widmeten sie sich der Marginalisierung und Vernichtung ihrer behinderten und psychisch kranken Mitmenschen. Das dahinter stehende rassenbiologische Motiv hat eine bedeutend längere Geschichte als der deutsche Faschismus. Da dieses Weltbild naturwissenschaftlich begründet war, gehörten zahllose Akademiker, besonders Ärzte und hohe Staatsbeamte zu seinen Anhängern.