Zum vorläufigen Abschluss der Vorlesungs- und Vortragsreihe über den Forschungsbericht
Buchhaltung und Krankenmord.
Die oldenburgische Anstaltsfürsorge 1932 bis 1948 (BIS-Verlag der Universität Oldenburg 2016)
liest der Autor am 11. September in der Landeszentrale für Politische Bildung Bremerhaven ab 18 Uhr aus der Studie.
Vortragsveranstaltung „Buchhaltung und Krankenmord“
In Kooperation mit der Landeszentrale für Politische Bildung, Außenstelle Bremerhaven und der Stadtbibliothek.
Dienstag, 11. September 2018, 18:00 Uhr
Treffpunkt: Stadtbibliothek Bremerhaven
Referent: PD Dr. Ingo Harms (Oldenburg)
Die NS-Euthanasie-Verbrechen gingen vielfach auf regionale Motive zurück. In Oldenburger Anstalten wurden mindestens 1500 Patienten durch Unterernährung vernichtet. Die eingesparten Pflegekosten in Millionenhöhe eigneten sich die völkische Kultur und die Energiewirtschaft. Unter den Opfern waren auch Personen aus Bremen und Bremerhaven. (Herbstprogramm Stadtarchiv Bremerhaven 2018)
Nach sechs Lesungen und Vorträgen wurde das Thema auch in Bremerhaven aufgegriffen, nicht zuletzt, weil auch Patienten dieses Landstrichs den Hungermorden in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen zum Opfer gefallen sind.
Die auf Arbeiten der Forschungsstelle „Geschichte der Gesundheits- und Sozialpolitik“ an der Universität Oldenburg basierende Studie weist nach, dass viele Einrichtungen von den NS-Krankenmorden in oldenburgischen Anstalten profitiert haben. Millionen Reichsmark waren auf Kosten der Patienten und mit tödlichen Folgen eingespart worden, um völkische Kultur wie die Thingstätte „Stedingsehre“ Bookholzberg, das Museumsdorf Cloppenburg und das Landesmuseum Oldenburg zu finanzieren. Auch große Teile des Geldes, das in den Aufbau der Energieversorgung Weser-Ems floss, ist vom Krankenmord kontaminiert. Im Zentrum der Verbrechen stand der von den Land- und Stadtkreisen getragene Landesfürsorgeverband. Da der Verband heute noch besteht (Bezirksverband Oldenburg), aber jegliche Verantwortung für die Krankenmorde leugnet, sieht sich der Gedenkkreis Wehnen, der die Studie in Auftrag gegeben hat, mit dem Vorwurf der Unwahrheit konfrontiert.
Der Medizinhistoriker Ingo Harms, wissenschaftlicher Berater der Gedenkstätte Wehnen, Leiter der Forschungen und Autor der Studie, kritisiert die Verweigerungshaltung der Landkreise und des Museumsdorfes und weist ihnen eine „Bringschuld“ zu. Zu den zentralen gesellschaftlichen Aufträgen der Bundesrepublik gehöre es, sich der Erinnerung an die NS-Verbrechen zu stellen. Wer sich der Verantwortung durch Leugnung und Geschichtsklitterung entziehe, verhöhne die Opfer und arbeite dem Rechtspopulismus in die Hände.